Der Silberpreis kannte in den vergangenen Tagen kein Halten mehr und stürmte in der Nacht zum Mittwoch bis auf ein 12-Jahres-Hoch bei 34,85 US-Dollar in die Höhe. Das Plus seit Jahresanfang betrug zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als 46 Prozent. Am Mittwoch setzten zwar leichte Gewinnmitnahmen ein, doch zieht der Silberpreis heute im frühen Handel bereits wieder kräftig an. Silber ist zwar ein Edelmetall, doch verhält es sich wegen der hohen Nachfrage aus der Industrie immer mehr wie ein Industriemetall. Von der Tendenz weltweit sinkender Zinsen profitiert Silber somit gleich doppelt. Und die kurzfristigen Aussichten sind weiterhin vielversprechend.
Was genau die jüngste Silberpreis-Rallye ausgelöst hat, lässt sich nicht genau sagen, denn viele der immer wieder genannten Gründe sind eigentlich seit Monaten bekannt. Allerdings dürften auch Konjunkturdaten aus China aus der Vorwoche Einfluss genommen haben. Das Wirtschaftswachstum in China hat sich im dritten Quartal gegenüber dem Vorquartal zwar um 0,1 Prozentpunkte auf 4,6 Prozent verlangsamt, doch hatte der Markt eine noch stärkere Abkühlung erwartet. Silber wird am Markt zwar weiterhin vorwiegend als Edelmetall gesehen, doch verhält es sich laut Rohstoffexperten immer mehr wie ein Industriemetall, denn mehr als die Hälfte der gesamten Silbernachfrage stammt aus der Industrie. Dementsprechend könnte die Industrieproduktion in China, die im September auf Jahressicht um 5,4 Prozent angezogen hat (August 4,5 Prozent), für Rückenwind gesorgt haben. Zu Beginn der Woche hat China zudem erneut die Zinsen gesenkt, um die Wirtschaft anzukurbeln.
Als Edelmetall profitiert Silber ebenfalls von sinkenden Zinsen. Da sie keine laufenden Erträge abwerfen, sind Edelmetalle in einem Umfeld hoher Zinsen im Vergleich zu anderen als sicher geltenden Anlagen wie etwa Staatsanleihen weniger attraktiv. Fallen die Zinsen, sinken in der Regel auch die Renditen vieler Anlagealternativen, womit wiederum diese im Vergleich zu Edelmetallen an Attraktivität verlieren.
Gleichzeitig spielt Silber eine bedeutende Rolle in der Energiewende, da es aufgrund seiner einzigartigen physikalischen Eigenschaften in zahlreichen Technologien unverzichtbar ist, die zur Reduktion von Treibhausgasemissionen und zur Förderung nachhaltiger Energiequellen beitragen. Silber gilt in der Energiewende sogar als Schlüsselmaterial. Gerade in der Photovoltaik (PV), wo Silber als wichtiges Material für die Herstellung von Solarzellen dient, stieg die Nachfrage in den vergangenen Jahren sprunghaft an. Wegen seiner exzellenten Leitfähigkeit findet Silber aber auch in der Elektromobilität reißenden Absatz. Hier kommt es bei der Herstellung von Elektronikkomponenten und Hochleistungskabeln zum Einsatz, da es dazu beiträgt, Energieverluste in elektrischen Systemen zu minimieren. Der PV-Sektor und die Automobilindustrie könnten nach Schätzungen des Silver Institutes in diesem Jahr bereits für rund 25 Prozent der weltweiten Silbernachfrage stehen. Tendenz stark steigend – das Silver Institute geht davon aus, dass allein der PV-Sektor im Jahr 2030 bereits für 30 Prozent der weltweiten Silbernachfrage verantwortlich sein könnte.
Der Anstieg der Nachfrage ist nicht immer das ausschlaggebende Argument für Preissteigerungen. Es kommt auch immer auf das Angebot und vor allem das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage an. Und das Angebot lässt sich bei Silber nicht so gut steuern wie bei vielen anderen Metallen. Es gibt nur sehr wenige reine Silberminen. Fast 70 Prozent des abgebauten Silbers stammt aus Minen, in denen Silber lediglich ein Nebenprodukt ist. Hinzu kommt, dass die Ausbeute in den Minen sinkt, da die Betreiber der Minen immer tiefer hinab müssen, um noch Erze mit hohen Metallgehalten zu finden. Daher steigen die Betriebs- und Finanzierungskosten der Minen, was einen dauerhaft steigenden Silberpreis fast schon nötig macht.
Der Silberpreis hat jüngst das Hoch vom 4. Oktober bei 32,94 US-Dollar übersprungen und in dieser Woche bei 34,85 Dollar ein neues Jahreshoch erreicht, das zugleich ein 12-Jahres-Hoch markiert. Die nächste Hürde wartet nun am Zwischenhoch vom Oktober 2012 bei 35,36 Dollar, ehe allmählich sogar das Rekordhoch vom April 2011 bei 49,51 Dollar in den Fokus rücken könnte. Auf der Unterseite sollten das Hoch vom 4. Oktober bei 32,94 Dollar und das Mai-Hoch bei 32,12 Dollar für ausreichend Halt sorgen. Geht es jedoch wieder darunter, könnte die aktuell bei 30,68 Dollar verlaufende 38-Tage-Linie noch einmal ein Thema werden.