Es ist noch kein Jahr her, da konnte man die Aktie von Siemens Energy an der Börse für 6,40 Euro einsammeln. Zu diesem Zeitpunkt schwebten allerdings dunkle Gewitterwolken über den Energietechnikkonzern. Am gestrigen Dienstag gelang der Aktie dann etwas, womit nur die Wenigsten gerechnet haben dürften – sie sprang über das Hoch vom Januar 2021 bei 34,48 Euro und setzte bei 34,65 Euro eine neue historische Bestmarke. Das Papier des Energietechnikkonzerns hatte sich seit dem 2023er-Tief somit mehr als verfünffacht. In diesem Tempo wird es aber nicht weitergehen, auch wenn sich die Perspektiven für das Unternehmen und die Branche enorm gebessert haben.
Die Aktie von Siemens Energy kletterte gestern bei 34,65 Euro auf ein neues Rekordhoch. Daran war vor rund einem Jahr kaum zu denken – das Windkraftgeschäft kriselte, die Eingliederung der spanischen Tochter Gamesa glich einer Katastrophe und der Konzern musste mehrmals die Gewinnprognose nach unten korrigieren. Im vergangenen Geschäftsjahr (per Ende September 2023) wies Siemens Energy eine Verlust nach Steuern von 4,59 Milliarden Euro aus.
Doch inzwischen haben sich sowohl die Situation als auch das Umfeld komplett geändert. Der wachsende Strommarkt führt zu einer hohen Nachfrage nach den Produkten von Siemens Energy. Jüngst erhielt die Sparte „Gas Services“ einen Rekordauftrag in Höhe von 1,5 Milliarden US-Dollar aus dem Königreich Saudi-Arabien. Saudi Arabien verfolgt die Strategie, bis 2060 einen Netto-Null-Emissionsausstoss zu erreichen und setzt dabei auf moderne, hocheffiziente Gaskraftwerke, um seine Emissionen erheblich zu reduzieren. Siemens Energy wird zwei Kraftwerke mit jeweils drei der leistungsstärksten Gasturbinen ausstatten. Ferner wurde ein Wartungsvertrag über 25 Jahre für die beiden Kraftwerke abgeschlossen. Die Sparte „Grid Technologies“ wird die Energieinfrastruktur Dänemarks erneuern. In den kommenden acht Jahren baut Siemens Energy im Westen Dänemarks etwa 50 neue oder verstärkte 150 kV-Hochspannungsschaltanlagen. Die ersten vier Jahre des Rahmenvertrags werden mit einem Wert von bis zu 800 Millionen Euro bewertet.
Dies spiegelt sich auch in den Geschäftszahlen wider. Siemens Energy steigerte seinen Umsatz im dritten Quartal (per Ende Juni) im Vergleich zum Vorjahr um 18,5 Prozent auf 8,8 Milliarden Euro. Das Ergebnis vor Sondereffekten war mit 49 Millionen Euro erneut positiv, nachdem im Vorjahresquartal noch ein Verlust von 2,05 Milliarden Euro ausgewiesen wurde. Für das Gesamtjahr zeigte sich der Konzern im Anschluss leicht optimistischer. Die Führungsetage erwartet weiterhin ein vergleichbares Wachstum der Umsatzerlöse (ohne Währungsumrechnungs- und Portfolioeffekte) in einer Bandbreite von 10 bis 12 Prozent. Beim Gewinn nach Steuern peilt der Konzern weiterhin bis zu 1 Milliarde Euro an. Aufgrund der guten Entwicklung in den ersten neun Monaten erwartet Siemens Energy nun jedoch einen positiven Free Cashflow vor Steuern von 1,0 bis 1,5 Milliarden Euro – zuvor bis zu 1,0 Milliarden Euro. Das Problemkind bleibt zunächst aber weiterhin die spanische Tochter Gamesa, für die der Konzern zwar ebenfalls ein vergleichbares Umsatzwachstum von 10 bis 12 Prozent erwartet, allerdings von einem negativen Ergebnis vor Sondereffekten von bis zu 2 Milliarden Euro ausgeht – zuvor rund 2 Milliarden Euro.
Der Vertrag mit Vorstandschef Christian Bruch, der den Konzern in seiner ersten Amtszeit durch turbulente Zeiten geführt hat, wurde jüngst um fünf Jahre verlängert.
Der Markt hat die jüngsten Erfolge mit einem kräftigen Anstieg der Aktie honoriert. Gestern kletterte das Papier von Siemens Energy über das Hoch vom Januar 2021 bei 34,48 Euro und erreichte bei 34,65 Euro eine neue historische Bestmarke. Die Luft nach oben dürfte auf kurze Sicht jedoch recht dünn geworden sein. Einige Analysten haben ihre Kursziele für die Aktie zuletzt zwar angehoben, doch viel Aufwärtspotenzial sieht auf dem aktuellen Niveau kaum ein Experte. Investierte Anleger bleiben vorerst dabei. Wer noch nicht investiert ist, wartet eventuell auf einen Rücksetzer und versucht, im Bereich des jüngsten Ausbruchsniveaus bei 27,91 Euro zum Zuge zu kommen.