Der Start in das noch junge Börsenjahr 2024 verlief für die Aktie des Essener Versorgers RWE bisher denkbar schlecht – mit einem Minus von mehr als 22 Prozent seit Jahresanfang ist der Wert aktuell der schwächste im deutschen Leitindex DAX in diesem Jahr. Dabei ließ das Unternehmen bereits durchblicken, dass das Geschäftsjahr 2023 wohl besser verlaufen ist als prognostiziert. Allerdings stellte der Konzern auch ein schwieriges Geschäftsjahr 2024 in Aussicht, was am Markt auf wenig Gegenliebe stieß. Nach dem jüngsten Kursdebakel ist die Aktie jedoch durchaus interessant.
Tech-Werte und insbesondere Werte, die mit dem Thema Künstliche Intelligenz (KI) in Verbindung gebracht werden, stehen bei den Marktteilnehmern derzeit hoch im Kurs. Dagegen wirkt ein Versorger fast schon langweilig. Stellt dieser dann auch noch ein schwieriges Geschäftsjahr in Aussicht, verlieren die Anleger weiter an Interesse. So geschehen beim Essener Versorger RWE, dessen Aktienkurs sich seit Jahresbeginn nahezu geviertelt hat.
Wegen der im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg im vergangenen Jahr stark gestiegenen Strompreise blickt RWE auf ein starkes Geschäftsjahr 2023 zurück. Zahlen will der Konzern zwar erst im März vorlegen, doch ließ er bereits durchblicken, dass der bereinigte operative Gewinn (bereinigter Betriebsgewinn) im vergangenen Geschäftsjahr wohl auf 7,7 Milliarden Euro gestiegen sein dürfte – erst im November hatte der Konzern einen Wert zwischen 6,4 Milliarden und 7,0 Milliarden Euro in Aussicht gestellt. Allerdings verpuffte die Meldung, denn gleichzeitig bremste der Versorger die Erwartungen für das laufende Geschäftsjahr. Aufgrund der in den letzten Wochen deutlich gesunkenen Energiepreise an den europäischen Großhandelsmärkten erwartet RWE derzeit für 2024 ein Ergebnis lediglich am unteren Ende der im November abgegebenen Prognose für das Gesamtjahr, die eine Bandbreite beim bereinigten Betriebsgewinn zwischen 5,2 Milliarden und 5,8 Milliarden Euro vorsah. Zur Info: Mit Beginn des neuen Geschäftsjahres werden die Geschäfte mit Kohle- und Atomkraft als nicht-operative Einheit geführt und gehören nicht mehr zum Kerngeschäft.
Der Markt könnte hier möglicherweise etwas zu hart urteilen, denn die langfristigen Ziele des Konzerns sehen weiterhin eine jährliche Steigerung des bereinigten operativen Ergebnisses ausgehend von 2021 bis zum Ende der Dekade von durchschnittlich 14 Prozent vor. 2030 sollen so mehr als 9 Milliarden Euro bereinigter Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen erreicht werden. Ein Analyst bezeichnete den Wert jüngst in einer Studie als eine der attraktivsten Investment-Chancen in Europa im Bereich der erneuerbaren Energien.
Der Titel hat möglicherweise nicht den Sexappeal eines Tech-Wertes. Zudem unterliegt der Strommarkt hohen Preisschwankungen. Allerdings dürfte RWE kein Nachfrageproblem bekommen, denn die Nachfrage nach Strom dürfte in den kommenden Jahren enorm steigen. Der Konzern ist bestens aufgestellt. Und selbst Dividendenjäger sind bei der RWE-Aktie gut aufgehoben, denn eine Dividendenrendite von aktuell etwas mehr als 3 Prozent kann sich durchaus sehen lassen.
Charttechnisch befindet sich die Aktie aktuell im freien Fall. Allerdings trifft die Aktie nun auf eine überaus wichtige Unterstützung – das Oktober-Tief bei 31,55 Euro, das zugleich ein 2-Jahres-Tief markiert. Aufgrund der aktuell deutlich überverkauften Marktphase könnte das Oktober-Tief einen Trendwendepunkt einleiten. Findet die Aktie hier Halt, könnte eine Erholung erfolgen, die zunächst das Potenzial hätte, bis an das Zwischentief vom Juni 2022 bei 34,40 Euro zu reichen. Danach könnte sogar das Zwischentief vom Oktober 2022 bei 36,05 Euro wieder in den Fokus rücken.