Selten standen die Zahlen eines Unternehmens so stark im Fokus wie gestern Abend die Quartalszahlen von NVIDIA. Das Papier des Chip-Entwicklers stufte die Finanznachrichtenagentur Bloomberg zuletzt sogar als vielleicht einflussreichste Aktie der Welt ein. Die Zahlen, die NVIDIA gestern Abend nach US-Börsenschluss vorgelegt hatte, fielen insgesamt erneut beeindruckend aus, gaben im Detail allerdings auch den Skeptikern etwas Nahrung. Die Aktie gab daraufhin nachbörslich um fast 7 Prozent nach.
NVIDIA war ursprünglich als Chipentwickler von Grafikprozessoren für Videospiele gestartet. Dann stellte sich heraus, dass sich die Grafikprozessoren auch hervorragend für die Rechenarbeit beim Anlernen von Anwendungen mit Künstlicher Intelligenz (KI) eignen. NVIDIA-Chips wurden damit zu einer Schlüsseltechnologie für die KI-Zukunft und wurden fortan in teils riesigen Datenzentren verbaut – etwa in denen der Cloud-Riesen Amazon, Microsoft und Google.
Im abgelaufenen zweiten Quartal erzielte NVIDIA Umsätze in Höhe von 30,04 Milliarden US-Dollar – 122 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Damit feierte der Konzern bereits sein fünftes Quartal in Folge mit einem im Vergleich zum Vorjahr dreistelligem Wachstum. Unter dem Strich verdiente NVIDIA 16,6 Milliarden Dollar, was 168 Prozent mehr waren als im Vorjahresquartal. Mit beiden Kennzahlen konnten die durchschnittlichen Markterwartungen geschlagen werden.
Und auch beim Ausblick enttäuschte NVIDIA nicht – der Chip-Entwickler prognostiziert für das laufende dritte Quartal Erlöse in Höhe von 32,5 Milliarden Dollar, womit die durchschnittlichen Markterwartungen ebenfalls geschlagen wurden.
Die Aktie, die gestern im regulären US-Handel um 2,1 Prozent auf 125,61 Dollar nachgegeben hatte, gab im nachbörslichen Handel um weitere 6,93 Prozent auf 116,91 Dollar nach. Der Markt schien also nicht allzu zufrieden gewesen zu sein. Dies lag wohl an der Bruttomarge, die im zweiten Quartal erstmals seit längerem wieder zurückging, und zwar von 79 auf 76 Prozent. Finanzchefin Colette Kress schob dies auf die neuen „Blackwell“-Chips, die eine Designanpassung erforderten. NVIDIA bestätigte damit erstmals Produktionsprobleme bei der neuen Chip-Generation. Die Produktion der neuen Chips soll nun im vierten Quartal hochgefahren werden und die aktuellen „Hopper“-Chips nach und nach ersetzen. Eine sich abschwächende Nachfrage nach den KI-Chips von NVIDIA war aus dem gestrigen Quartalsbericht jedoch nicht herauszulesen. Die Nachfrage nach den noch aktuellen „Hooper“-Chips scheint ungebrochen, womit die Verzögerung bei der Produktion der neuen „Blackwell“-Chips nicht allzu stark ins Gewicht fallen sollte. Der Markt könnte daher gestern überreagiert haben.
Zahlen und Ausblick von NVIDIA waren einmal mehr jedem Zweifel erhaben. Zumindest dürften sie die aktuelle KI-Euphorie nicht gravierend dämpfen. Die NVIDIA-Aktie könnte heute unterhalb der aktuell bei 120,66 Dollar verlaufenden 50-Tage-Linie und auch unterhalb des Zwischentiefs vom 26. Juni bei 118,04 Dollar in den Handel starten. Das kurzfristige Chartbild würde sich damit weiter eintrüben. Gleichzeitig würde sich Korrekturpotenzial bis zum März-Hoch bei 97,40 Dollar eröffnen. Allerdings waren die Zahlen stark genug, dass viele Investoren mögliche Rücksetzer zum Wiedereinstieg oder Nachkauf nutzen dürften. Somit könnte ein Rückfall unter die 100-Dollar-Marke Wunschdenken sein. Auf der Oberseite scheiterte die Aktie zuletzt mehrfach an der 130-Dollar-Marke. Geht es über das jüngste Verlaufshoch bei 131,76 Dollar, dürfte das Rekordhoch vom Juni bei 140,76 Dollar wieder angesteuert werden. Bei einem Überqueren könnte die nächste Runde Marke bei 150 Dollar ein mögliches Anlaufziel sein.