Die Talsohle in der Chemiebranche scheint noch immer nicht durchschritten. Die Unternehmen klagen weiterhin über eine schwache Nachfrage in vielen Abnehmerindustrien, da die Kunden zunächst ihre Lagerbestände abbauen würden. Auch von China als größtem Chemiemarkt der Welt gehen noch keine neuen Nachfrageimpulse aus. Den Problemen kann sich auch der Kölner Spezialchemie-Konzern LANXESS nicht entziehen. Doch eine Branchenstudie sorgte jüngst für etwas Hoffnung.
Die schwächelnde Nachfrage lässt derzeit keine hohen Verkaufspreise zu, weshalb LANXESS im zweiten Quartal erneut schwächere Zahlen verkünden musste. So sanken etwa die Erlöse im Verglich zum Vorjahr um 11,1 Prozent auf 1,78 Milliarden Euro. Das operative Ergebnis vor Abschreibungen (EBITDA) lag im zweiten Quartal bei 107 Millionen Euro und damit beinahe 58 Prozent unterhalb des Vorjahreswertes.
„Die erhoffte Nachfragebelebung für das zweite Halbjahr ist derzeit nicht absehbar“, erklärte LANXESS-Chef Matthias Zachert nach der Veröffentlichung der Q2-Zahlen. Die im Juni gekappten Jahresziele wurden daher nicht wieder angehoben – der Chemiekonzern geht weiterhin von einem EBITDA in Höhe von 600 bis 650 Millionen Euro aus, was deutlich unter den 930 Millionen Euro liegen würde, die der Konzern im vergangenen Geschäftsjahr erzielte.
Daher will der Konzern nun mit einem Aktionsplan gegensteuern. Ziel des Programms mit dem Namen „Forward!“ ist es, sowohl kurzfristig als auch langfristig Kosten zu sparen sowie die Strukturen und Prozesse zu schärfen. Zu den kurzfristigen Maßnahmen gehören eine strikte Kostendisziplin und ein europaweiter Einstellungsstopp. Das Unternehmen rechnet dadurch mit einmaligen Einsparungen in Höhe von 100 Millionen Euro. Mit einem Paket struktureller Maßnahmen, das Stellenstreichungen in der Verwaltung und Produktions-Stilllegungen von besonders energieintensiven Betrieben beinhaltet, will der Konzern pro Jahr weitere 150 Millionen Euro einsparen.
Doch Vorstands-Chef Zachert nahm auch die Politik in die Plicht. Ohne einen international wettbewerbsfähigen Industriestrompreis, den Abbau der überbordenden Bürokratie und schnellere Genehmigungsverfahren sei der Standort Deutschland in der aktuellen konjunkturellen Schwächephase international nicht wettbewerbsfähig.
Für etwas Hoffnung sorgte in dieser Woche eine Branchenstudie der US-Bank JPMorgan. Demnach würde sich eine Stabilisierung im Industriesektor allgemein abzeichnen. Zwar wird wohl auch im laufenden dritten Quartal noch kein Wendepunkt erreicht, doch gebe es Anzeichen einer möglichen Nachfrageerholung in den kommenden Quartalen. Als positiv wird insbesondere der Anstieg der Ölpreise gesehen – dies könnte sich auf die Erwartungshaltung der Kunden von Chemiekonzernen auswirken und sie für höhere Chemikalienpreise empfänglicher machen.
Im Kurs der LANXESS-Aktie ist bereits sehr viel Negatives eingepreist. Für langfristig denkende Anleger könnte das aktuelle Kursniveau daher ein interessantes Einstiegsniveau bieten. Kommt es zu einer Nachfragebelebung, dürfte die Chemiebranche darauf recht zeitnah reagieren. Das Chance-Risiko-Verhältnis bei der Aktie erscheint überschaubar. Auf der Unterseite konnte das Korrekturtief vom März 2020 bei 25,68 Euro jüngst gehalten werden – im Tief ging es im Juni bis auf 25,75 Euro abwärts, ehe es zu einer ersten Erholungsbewegung kam. Die Aktie ist in dieser Woche wieder unter die aktuell bei 29,02 Euro verlaufenden 38-Tage-Linie gerutscht, womit die Gefahr eines erneuten Rücksetzer zugenommen hat. Wird das 2020er-Tief unterschritten, würde sich das Chartbild gravierend eintrüben. Bei einem aktuellen Kurs von 28,18 Euro liegt das Abwärtsrisiko damit bei etwa 10 Prozent. Das Aufwärtspotenzial erscheint ungleich höher. Wird das Juli-Hoch bei 30,96 Euro überquert, würde sich zunächst weiteres Erholungspotenzial bis zum März-Tief bei 32,98 Euro eröffnen, ehe Platz bis zum aktuell bei 36,18 Euro verlaufenden 200-Tage-Durchschnitt wäre. Danach könnte sogar das Jahreshoch vom Februar bei 47,83 Euro wieder in den Fokus rücken.