Der deutsche Chip-Produzent Infineon kann sich in einem schwierigen Marktumfeld weiterhin behaupten – trotz Flaute in der Halbleiterindustrie stellte das Neubiberger Unternehmen im abgelaufenen Geschäftsjahr neue Rekorde bei Umsatz und Gewinn auf. Das Wachstum dürfte jedoch deutlich an Dynamik verlieren. Die Herausforderungen wachsen, weshalb der Konzern für das neue Geschäftsjahr etwas auf die Bremse tritt.
Der weltweite Umsatz der Halbleiterbranche schrammte 2022 mit 599,6 Milliarden US-Dollar nur hauchdünn an der 600-Milliarden-Dollar-Grenze vorbei. Zwar war dies erneut ein Rekordumsatz, doch wurde das Vorjahresergebnis nur um 0,2 Prozent übertroffen. Hört sich zwar immer noch gut an, doch prognostizierten die Analysten der Branche nach dem Boomjahr 2021 zunächst einen weiteren Umsatzanstieg auf 675 Milliarden Dollar. Doch es kam alles anders. Probleme wie etwa Lieferengpässe und Materialknappheit sorgten für Ernüchterung. Zwar konnten einige der Probleme inzwischen beseitigt werden, doch sind die Aussichten für die erfolgsverwöhnte Branche noch immer nicht famos. Das US-Marktforschungsunternehmen Gartner prognostiziert der Branche 2023 einen prozentual zweistelligen Umsatzrückgang.
Vor diesem Hintergrund waren die Zahlen, die der Neubiberger Chip-Produzent Infineon gestern veröffentlichte, überaus beeindruckend. Infineon legte gestern seine Zahlen für das im September abgeschlossene Geschäftsjahr 2022/23 vor und konnte – gemessen an der Marktreaktion – mehr als überzeugen. Der Umsatz kletterte im Vergleich zum Vorjahr um 14,7 Prozent auf 16,3 Milliarden Euro und erreichte damit einen neuen Rekordwert. Das Segmentergebnis übertraf den Wert des Vorjahres sogar um 30 Prozent und erreichte mit 4,4 Milliarden Euro ebenfalls einen historischen Bestwert. Die vielbeachtete Segmentergebnis-Marge kletterte von 23,8 Prozent auf beeindruckende 27,0 Prozent. Der gestrige Anstieg der Infineon-Aktie um beinahe 10 Prozent erscheint auf den ersten Blick somit durchaus gerechtfertigt.
Für Rückenwind sorgt weiterhin die Automobilbranche, die sich inzwischen für rund 52 Prozent der Infineon-Umsätze verantwortlich zeichnet. Beim operativen Gewinn trug die Sparte im abgeschlossenen Geschäftsjahr sogar gut 60 Prozent zum Ergebnis bei. Infineon profitiert davon, dass immer mehr Halbleiter in die Fahrzeuge eingebaut werden. Das liegt zum einen an den steigenden Absatzzahlen der Elektroautos und zum anderen an den zahlreichen Assistenzsystemen, die nach EU-Vorgaben inzwischen verbaut werden müssen. Zumindest in dieser Sparte scheint es auch in naher Zukunft rund zu laufen – laut Unternehmensangaben hat Infineon in diesem Bereich Aufträge über den zweifachen Jahresumsatz in den Büchern stehen. Im neuen Geschäftsjahr soll die Autosparte nach der Einschätzung von Infineon-Chef Jochen Hanebeck sogar um einen niedrigen zweistelligen Prozentsatz wachsen.
Doch der Konzern trat etwas auf die Euphorie-Bremse. Der Infineon-Chef sprach bei der anschließenden Pressekonferenz von einem weiterhin anspruchsvollen Umfeld, in dem sich die Zielmärkte des Unternehmens unterschiedlich entwickeln würden. Das strukturelle Halbleiterwachstum in den Bereichen erneuerbare Energien, Elektromobilität – insbesondere in China – und bei Mikrocontrollern für die Automobilindustrie sei ungebrochen, so Hanebeck. Dagegen würden Consumer-, Kommunikations-, Computing- und IoT-Anwendungen ein temporäres Nachfragetief durchlaufen. In Summe erwartet Infineon für das Geschäftsjahr 2023/24 zwar ein weiteres Umsatzwachstum, doch ein eher geringes. Der Konzern prognostizierte für das neue Geschäftsjahr Umsatzerlöse in Höhe von 17 Milliarden Euro, was einem Wachstum von etwa 4 Prozent entsprechen würde.
Die sich im Verlauf des Jahres eintrübenden Aussichten für die Branche hat die Infineon-Aktie heftig zu spüren bekommen – vom Jahreshoch im Juli bei 40,27 Euro stürzte das Papier bis zum 31. Oktober um mehr als 30 Prozent auf 27,07 Euro ab. Danach ging es zunächst wieder leicht aufwärts. Gestern, nach dem Öffnen der Bücher, sprang die Aktie sogar um 9,69 Prozent auf 33,57 Euro nach oben. Damit wurde nicht nur der aktuell bei 30,54 Euro verlaufende 38-Tage-Durchschnitt überquert, sondern kurzzeitig auch der Widerstandsbereich bei 33,28/33,70 Euro. Doch auf diesem Niveau konnte sich die Aktie nicht ganz halten. Damit sich weiteres Erholungspotenzial eröffnet, muss aber nicht nur der Widerstandsbereich nach oben durchbrochen werden, sondern auch die aktuell bei 34,13 Euro verlaufende 200-Tage-Linie. Gelingt dies, könnte zunächst der Bereich zwischen 35,60 und 36,21 Euro, wo seit dem 21. Juli kein einziger Kurs gebildet wurde, in den Fokus rücken, ehe der Weg in Richtung Jahreshoch wieder unverbaut wäre.