Die Chemiebranche steckt weiterhin in der Talsohle – die sich im ersten Quartal abzeichnende Erholung setzte sich im zweiten Quartal nicht fort. Wie in fast jeder Krise reichen Durchhalteparolen der Unternehmen am Markt irgendwann nicht mehr aus – Sparmaßnahmen und Umstrukturierungspläne müssen her. Auch der weltgrößte Chemiekonzern BASF kommt um Umstrukturierungen nicht mehr herum. Spekulationen auf umfangreiche Umstrukturierungen schoben die BASF-Aktie gestern kräftig an.
Läuft es in einer Branche gut, lässt sich dies meist auch an steigenden Aktienkursen ablesen. Viele der gutlaufenden Titel hätte man möglicherweise einige Zeit zuvor günstig einsammeln können. Gerade dann, wenn die Branche eine Talsohle durchlebte und die Aktienkurse stark gefallen sind. Doch die meisten Investoren springen lieber auf einen fahrenden Zug auf und verzichten dafür auf ein paar Prozent Rendite.
In der Chemiebranche läuft es seit einiger Zeit schlecht. Die chinesische Wirtschaft schwächelt, und die Konjunktur im Euroraum und speziell in Deutschland will einfach nicht Fahrt aufnehmen. Den Anfang einer Krise können die Chemieunternehmen wegen der teils gut gefüllten Auftragsbücher noch kompensieren. Auch sind die Chemikalienlager meist voll und Zukäufe können eine gewisse Zeit zurückgestellt werden. Doch irgendwann sind die Auftragsbücher und auch die Lager leer und die Krise hinterlässt in den Bilanzen kräftige Bremsspuren.
Dies alles durchlebte auch der Ludwigshafener Chemiekonzern BASF. Eine Erholung der Branche zeichnet sich aktuell noch nicht wirklich ab. Die BASF-Aktie ist Lichtjahre von ihren Höchstständen aus dem Jahr 2018 entfernt. Die Aktionäre werden immer ungeduldiger. Vor kurzem musste der langjährige Vorstandschef Martin Brudermüller seinen Posten räumen – neuer BASF-Chef beim weltgrößten Chemiekonzern ist seit April der zuvor für das Asiengeschäft zuständige Topmanager Markus Kamieth.
Bisher hatte BASF umfangreiche Sparmaßnahmen angekündigt. Doch auf dem Kapitalmarkttag am 26. und 27. September sollen nun auch umfangreiche Umstrukturierungen bekannt gegeben werden. Investoren hatten zuletzt immer wieder gefordert, dass BASF hier liefern müsse. Bei den erwarteten Umstrukturierungen gehe es vor allem um die Zukunft der Geschäfte Agrarchemie und Beschichtungen/Lacke (Coatings), wie die Nachrichtenagentur Bloomberg am Mittwoch unter Berufung auf mit der Sache vertraute Personen berichtete. Die Agrarchemie solle auf einen möglichen Börsengang in einigen Jahren vorbereitet werden – Experten schätzen den Wert der Sparte auf bis zu 20 Milliarden Euro. Für das Geschäft mit Beschichtungen (Coatings) stehen laut dem Bericht möglicherweise Teilverkäufe an oder der Einstieg von Partnern. Und auch zum kriselnden Batteriegeschäft soll es auf dem Kapitalmarkttag neue Aussagen geben. Die Anleger zeigten sich euphorisch und schoben die BASF-Aktie gestern kräftig an.
Doch nicht nur die möglicherweise angekündigten Umstrukturierungen könnten der Aktie wieder auf die Sprünge helfen. Auch die jüngsten Zinssenkungen im Euroraum und in den USA dürften sich langfristig positiv auf die Konjunktur auswirken. Früher oder später dürfte auch die Chemiebranche wieder bessere Zeiten erleben. Und ein Konjunkturaufschwung ist häufig als erstes bei den Chemieunternehmen zu erkennen. Von daher bietet sich langfristig denkenden Anlegern möglicherweise ein attraktives Einstiegsniveau bei der BASF-Aktie.
Charttechnisch hat die Aktie zuletzt wieder Boden gutgemacht. Positiv zu werten ist zudem, dass in der jüngsten Abwärtsbewegung kein neues Korrekturtief erreicht wurde. Im Tief ging es zuletzt bis auf 40,17 Euro abwärts, womit das Tief vom September 2022 bei 37,90 Euro nicht erreicht wurde. Gestern konnte die Aktie das Hoch vom 30. August bei 46,14 Euro überqueren, blieb allerdings am aktuell bei 46,68 Euro verlaufenden 200-Tage-Durchschnitt hängen. Kann der vielbeachtete Durchschnitt jedoch gemeistert werden, würde sich zunächst Erholungspotenzial bis zum Dezember-Hoch bei 49,85 Euro eröffnen. In einem freundlichen Marktumfeld könnte dann auch das April-Hoch bei 54,93 Euro allmählich wieder ein Thema werden.