Der niederländische Chipanlagenbauer ASML sorgte am Dienstag für einen Schock, als er seine Umsatzprognose für das kommende Geschäftsjahr deutlich herunterschraubte. Die Aktie brach in der Folge um mehr als 20 Prozent ein. Ist der Hype um den Chipausrüster nun vorbei oder bietet sich für Anleger eine gute Einstiegsgelegenheit?
Aufgrund eines Datenlecks veröffentlichte ASML am Dienstag einen Tag zu früh seine Ergebnisse für das gerade abgelaufene dritte Quartal. Die Zahlen konnten sich auf dem ersten Blick mehr als sehen lassen. Die Umsätze kletterten von Juni bis September im Vergleich zum Vorquartal um 19,6 Prozent auf 7,47 Milliarden Euro, während der Nettogewinn im Vergleich zum Vorquartal um 31,6 Prozent auf 2,08 Milliarden Euro stieg. Das Problem war der Auftragseingang – ASML konnte im dritten Quartal lediglich Aufträge im Wert von 2,63 Milliarden Euro an Land ziehen. Im zweiten Quartal waren es noch 5,57 Milliarden Euro. Daraufhin senkte der Konzern seinen Ausblick für das kommende Geschäftsjahr 2025 und peilt einen Nettoumsatz zwischen 30 und 35 Milliarden Euro an. Auf einem Investorentag vor gut zwei Jahren peilte ASML noch einem Umsatz zwischen 30 und 40 Milliarden Euro an. Die Bruttomarge soll nun zwischen 51 und 53 Prozent liegen. Zuvor hatte der Konzern 54 bis 56 Prozent prognostiziert.
Der Markt zeigte sich geschockt und schickte das Papier des Chipanlagenbauers am Dienstag um 15,64 Prozent und am Mittwoch nochmals um 5,12 Prozent auf 633,90 Euro in den Keller. Heute im frühen Handel verliert die Aktie noch einmal 5,00 Euro oder 0,79 Prozent auf 628,90 Euro, womit sich die Verluste seit Montagabend auf 163,10 Euro oder 20,6 Prozent summieren. Analysten glauben, dass vor allem zwei Großkunden zuletzt weniger bestellt haben könnten: Samsung und Intel. Der einst größte Chipkonzern der Welt Intel steckt in der Krise und befindet sich auf Sparkurs – erst vor wenigen Wochen wurde der geplante 30 Milliarden Euro schwere Werksneubau in Magdeburg um mindestens zwei Jahre verschoben. Bei Samsung könnten es Qualitätsprobleme sein, weshalb sie weniger Anlagen bei ASML bestellt haben könnten. Samsung würde gerne ein bedeutender Zulieferer von NVIDIA werden, tut sich jedoch schwer, die hohen Anforderungen des US-Konzerns zu erfüllen.
Problematisch ist auch der zunehmende politische Druck auf ASML. Die Niederländer sind weltweit der einzige Anbieter von sogenannten EUV-Systemen, die Halbleiter mit extrem ultraviolettem Licht belichten können. Diese Maschinen sind unerlässlich für die stetig wachsende Produktion von Chips mit kleinsten Strukturgrößen von weniger als sieben Nanometern, die für KI-Spitzentechnologie entscheidend sind. Um zu verhindern, dass China die modernsten Chips herstellen kann und diese fürs Militär verwendet, hat die niederländische Regierung auf Druck der USA schrittweise den Export von ASML-Anlagen nach China eingeschränkt. Dies könnte dazu führen, dass der Anteil Chinas am gesamten Umsatz nächstes Jahr nur noch bei rund 20 Prozent liegen wird. Dieses Jahr dürfte es noch doppelt so viel sein.
ASML wird weiterhin ein bedeutender, wenn nicht sogar der wichtigste Chipausrüster bleiben. Mit einem Auftragsvolumen von 36 Milliarden Euro sind die Auftragsbücher noch immer prall gefüllt. Viele Aufträge, möglicherweise die von Intel, verschieben sich lediglich. Finanzvorstand Roger Dassen ließ zuletzt keinen Zweifel aufkommen, dass der Anlagenbauer seine besten Zeiten noch vor sich hat. Die Wachstumsraten der vergangenen Jahre wird ASML in näherer Zukunft möglicherweise nicht mehr erreichen, doch wird das Unternehmen weiterhin kräftig wachsen. Nach dem jüngsten Kurseinbruch gibt es die Aktien des Konzern zudem wieder deutlich günstiger – im Vergleich zum Juli, als die Aktie bei 1.021,80 Euro ein Rekordhoch erreichte, sogar um mehr als 38 Prozent günstiger.
Die Zahlen und der erhöhte Ausblick kamen bei den Analysten gut an. Und auch die Großinvestoren lobten die operativen Fortschritte des Konzerns. Allerdings fordern einige von ihnen ein noch stärkeres Wachstumstempo. Sie plädieren dafür, dass sich Siemens von der börsennotierten Medizintechnik-Tochter Siemens Healthineers ganz trennen soll, die sich im ersten Quartal als Bremsklotz erwies. Der Umsatz von Siemens Healthineers stagnierte im ersten Quartal – das operative Ergebnis brach sogar um 21 Prozent ein. Mit einer Abspaltung wie damals bei Siemens Energy könne sich der Konzern noch stärker auf die zukunftsweisenden Bereiche Digital Industries, Smart Infrastructure und Mobility konzentrieren.
Die Siemens-Aktie konnte in den vergangenen Monaten bereits kräftig zulegen. Mit dem heutigen Kurssprung wurde nun das bisherige Jahreshoch vom 18. Januar bei 146,36 Euro herausgenommen, womit sich das Chartbild weiter aufgehellt hat. Gleichzeitig wurde der Weg bis zum Rekordhoch vom Januar 2022 bei 157,96 Euro frei gemacht. Danach wäre reichlich Luft nach oben. Auf der Unterseite sollte der aktuell bei 138,30 Euro verlaufende 38-Tage-Durchschnitt als Unterstützung dienen.