Ende April öffnete der weltgrößte Onlinehändler Amazon seine Bücher für das erste Quartal des Geschäftsjahres 2023. Die Zahlen waren beeindruckend, doch drückte Finanzchef Brian Olsavsky mit einem enttäuschenden Ausblick kräftig auf die Stimmung. Inzwischen scheint der Markt dies jedoch verdaut zu haben — die Amazon-Aktie zog zuletzt wieder kräftig an und steuert auf ihr Jahreshoch zu.
Die Sorge war groß, dass die hohe Inflation und die nachlassende Konjunktur den Onlinehändler im ersten Quartal belastet haben könnte. Doch die Zahlen, die Amazon Ende April veröffentlichte, waren fast durchweg beeindruckend. Der Umsatz kletterte im Vergleich zum Vorjahr um 9,4 Prozent auf 127,4 Milliarden US-Dollar. Das operative Ergebnis konnte um 30 Prozent auf 4,77 Milliarden Dollar gesteigert werden. Der Nettogewinn lag bei 3,17 Milliarden Dollar, nachdem im Vorjahr noch ein Verlust von 3,84 Milliarden Dollar angefallen war. Die Analystenerwartungen wurden sowohl bei Umsatz als auch Gewinn deutlich übertroffen.
Das Wachstum in der vielbeachteten Cloud-Sparte Amazon Web Services, kurz AWS, hat allerdings einen kleinen Dämpfer erhalten. Zwar stiegen die Sparten-Umsätze im Vergleich zum Vorjahr um 15,8 Prozent auf 21,35 Milliarden Dollar, doch sank das operative Ergebnis hier um mehr als 20 Prozent auf 5,12 Milliarden Dollar. Zudem musste Amazon für den Geschäftsbereich erstmals einen Umsatzrückgang im Vergleich zum Vorquartal – also dem vierten Quartal 2022 – ausweisen.
Für die Anleger war dies zunächst aber noch kein Grund, die Aktie zu verkaufen – nach Veröffentlichung der Zahlen sprang die Aktie zunächst sogar um mehr als 10 Prozent nach oben. Doch in der anschließenden Telefonkonferenz warnte Finanzchef Brian Olsavsky vor einem deutlichen Rückgang der Wachstumsraten im Cloud-Geschäft, da die Unternehmen weiterhin ihre Ausgaben optimieren würden. Erst nach dieser Aussage kippte die Stimmung und die Amazon-Aktie geriet kräftig unter Druck. Die Cloud-Sparte war in der jüngeren Vergangenheit der wichtigste Gewinnbringer des Unternehmens.
Doch auch Amazon hat auf das schwieriger werdende Umfeld reagiert und seit Jahresanfang bereits 27.000 der insgesamt rund 1,5 Millionen Arbeitsplätze gestrichen. Die Entlassungen sollen langfristig die Kosten senken, verursachen zunächst jedoch hohe Kosten. Laut Finanzchef Brian Olsavsky fielen im abgelaufenen Quartal bereits rund 470 Millionen Dollar an Abfindungskosten an. Solange die Unternehmen auf die Kosten schauen, während das Geschäft noch brummt, dürften die kurzfristig höheren Ausgaben locker kompensiert werden.
Der Markt benötigte ein paar Tage, um die starken Zahlen und den ernüchternden Ausblick einzuordnen. Inzwischen hat die Aktie den aktuell bei 106,30 US-Dollar verlaufenden 200-Tage-Durchschnitt aber erneut überquert und nimmt bereits wieder Kurs auf das Februar-Hoch bei 114,00 Dollar, das zugleich das Jahreshoch markiert. Zunächst muss aber noch das Zwischenhoch unmittelbar vor Bekanntgabe der Zahlen vom 27. April bei 110,86 Dollar überquert werden. Kann die Aktie danach auch das Februar-Hoch meistern, würden bei 121,32 und 123,00 Dollar noch zwei weitere Widerstände warten, ehe das August-Hoch bei 146,57 Dollar allmählich wieder in den Fokus rücken könnte. Das Chartbild würde sich erst wieder gravierender eintrüben, wenn das Korrekturtief vom Mai 2022 bei 101,26 Dollar unterschritten wird.