Die Aktien von Versicherungskonzernen sind in den vergangenen Jahren stark gelaufen. Zuletzt kam die Rally jedoch etwas ins Stottern – Erst- und Rückversicherer sahen sich mit höheren Schadenbelastungen aus weltweit zunehmenden Naturkatastrophen konfrontiert. Mit Spannung wurden daher die Quartalsergebnisse von Deutschlands größtem Versicherer Allianz erwartet, die gestern Abend veröffentlicht wurden. Der Münchener Versicherungskonzern konnte durchaus überzeugen und hatte für die Aktionäre sogar eine kleine Überraschung parat.
Viele Leser erinnern sich bestimmt noch gut an die massiven Überschwemmungen in Bayern Anfang Juni, die schwere Verwüstungen und immense Schäden verursachten. Für Naturkatastrophen- und Wetterschäden musste die Allianz im zweiten Quartal 642 Millionen Euro aufwenden, davon allein 292 Millionen für die Fluten in Süddeutschland. Das operative Ergebnis im Geschäftsbereich Schaden- und Unfallversicherung lag daher im zweiten Quartal mit 1,92 Milliarden Euro leicht unter dem Vorjahreswert von 1,98 Milliarden Euro. Analysten hatten im Vorfeld allerdings nur mit knapp 1,8 Milliarden Euro gerechnet.
Deutlich besser lief es dafür im Geschäftsbereich Lebens- und Krankenversicherung, wo der operative Gewinn im Vergleich zum Vorjahr um 14,7 Prozent auf 1,38 Milliarden Euro verbessert werden konnte. Das operative Ergebnis aller Geschäftsbereiche konnte im Vergleich zum Vorjahr um 3,8 Prozent auf 3,93 Milliarden Euro gesteigert werden. Hier hatten Analysten lediglich mit einem Wert um 3,7 Milliarden Euro gerechnet. Für die ersten sechs Monate wies die Allianz damit ein operatives Ergebnis von 7,91 Milliarden Euro aus, was 5,3 Prozent über dem Vergleichswert des Vorjahres lag. Der bereinigte Periodenüberschuss erreichte in den ersten sechs Monaten 5,05 Milliarden Euro, was 7,7 Prozent mehr waren als im Vorjahr und zugleich einen neuen Rekordwert markierte.
Die Schaden-Kosten-Quote, die angibt, ob ein Versicherungskonzern profitabel wirtschaftet, kletterte im zweiten Quartal gegenüber dem Vorjahr zwar um 1,3 Prozentpunkte auf 93,5 Prozent, doch schnitt der Konzern damit besser ab als von den Finanzexperten erwartet. Die Schaden-Kosten-Quote gibt das Verhältnis von Kosten für eingetretene Schäden und Ausgaben für Verwaltung und Abschluss der Versicherungsverträge zu Prämieneinnahmen an. Schlecht wäre ein Wert oberhalb von 100.
Alles in allem waren die Zahlen beeindruckend. Konzernchef Oliver Bäte gab sich dementsprechend zuversichtlich, die Ziele für das Gesamtjahr erreichen zu können. Die Allianz hatte sich zum Ziel gesetzt, operativ in diesem Jahr zwischen 13,8 Milliarden und 15,8 Milliarden Euro zu verdienen. Das gute Abschneiden im ersten Halbjahr animierte den Konzern dazu, sein im Juli abgeschlossenes Aktienrückkaufprogramm, das ursprünglich den Rückkauf von Aktien in Höhe von einer Milliarde Euro vorsah, bis zum Jahresende um 500 Millionen Euro auf dann insgesamt 1,5 Milliarden Euro aufzustocken. Die zurückgekauften Aktien werden zum Jahresende dann eingezogen, womit sich der Gewinn je Aktie und die Dividende pro Aktie leicht erhöhen.
Charttechnisch ist die Aktie zuletzt im Zuge der Marktkorrektur unter seinen aktuell bei 252,48 Euro verlaufenden 200-Tage-Durchschnitt sowie unter das Juni-Tief bei 251,80 Euro gefallen, womit sich weiteres Korrekturpotenzial bis zum Zwischenhoch vom Februar 2022 bei 232,50 Euro eröffnet hatte. Dank der guten Quartalszahlen hat die Aktie sowohl ihr Juni-Tief als auch die 200-Tage-Linie inzwischen jedoch zurückerobert und legt heute im frühen Handel um 5,15 Euro oder 2,07 Prozent auf 254,35 zu. Die nächste wichtige Chartmarke wäre der seit April etablierte Abwärtstrend, der aktuell bei 263,80 Euro verläuft. Wird der Trend nach oben verlassen, würde sich zunächst Kurspotenzial bis zum Juli-Hoch bei 267,10 Euro eröffnen. Danach würden sich noch das Juni-Hoch bei 271,20 Euro und das Mai-Hoch bei 275,40 Euro in den Weg stellen, ehe das April-Hoch bei 280,00 Euro, das zugleich ein 20-Jahres-Hoch markiert, wieder in den Fokus rücken könnte.