Die Flugbranche erholt sich weiter von den Folgen der Corona-Pandemie. Auch wenn das Flugangebot im europäischen Luftverkehr wegen Engpässen in diesem Jahr lediglich etwa 85 Prozent des Niveaus aus dem Vor-Corona-Jahr 2019 erreichen wird, bei den Fluggesellschaften läuft es wegen höherer Ticketpreise wieder rund. So steuert etwa die Deutsche Lufthansa nach einem Rekordergebnis im zweiten Quartal auf eines der lukrativsten Jahre ihrer Geschichte zu. Von der Erholung im Flugverkehr profitieren naturgemäß auch die Flugzeugbauer, denn die Fluggesellschaften haben wieder Spielraum für die Erweiterung oder die Modernisierung ihrer Flotten. Der weltgrößte Flugzeugbauer Airbus konnte sich jüngst über den größten Auftrag der Luftfahrtgeschichte freuen.
Bereits im Februar hatten wir den europäischen Luftfahrtkonzern unter die Lupe genommen. Seither ist allerdings einiges geschehen. Auf den jüngsten Luftfahrt-Messen in Paris, London oder Dubai konnte Airbus zahlreiche Aufträge an Land ziehen. Speziell zwei Fluggesellschaften aus Indien sorgten für Furore. Seit einigen Jahren befördern die arabischen Fluggesellschaften Emirates und Qatar Airways Passagiere aus Indien in die USA und nach Europa über ihre Drehkreuze Dubai und Doha.
Die indische Fluggesellschaft Air India will die Fluggäste zurückgewinnen und Indien wieder zu einem internationalen Drehkreuz machen. Dazu orderte die Gesellschaft 210 Airbus-Maschinen aus der Mittelstreckenjet-Familie A320neo und 40 Großraumflieger vom Typ A350. Noch etwas aggressiver ging die indische Fluggesellschaft IndiGo zur Sache, die auf einen Schlag 500 Maschinen aus der A320-Familie orderte. Es war zugleich der größte Einzelauftrag in der Luftfahrtgeschichte. In den ersten sechs Monaten des Jahres zog Airbus insgesamt 1.044 Aufträge an Land, was im Vergleich zur Vorjahresperiode mehr als eine Vervierfachung bedeutet. Der Auftragsbestand kletterte per Ende Juni damit auf einen neuen Rekordwert von 7.967 Maschinen.
Über die Zukunft muss sich der Flugzeugbauer somit keine Sorgen machen. Sorgen bereitet eher der Abbau des Auftragsbestands, denn die Produktionskapazitäten sind stark begrenzt. Und ein Ausbau der Kapazitäten gestaltet sich angesichts fehlender Bauteile und knappen Arbeitskräften vor allem bei den Zulieferern als schwierig. Airbus lieferte im Juli 65 Maschinen aus – nach der Juni-Auslieferung von 72 Maschinen immerhin der zweitstärkste Monat in diesem Jahr. Von Januar bis Juli hat Airbus damit 381 Maschinen an seine Kunden ausgeliefert, was im Durchschnitt gerade einmal etwas mehr als 54 im Monat waren. Das Jahresziel von 720 Maschinen oder 60 pro Monat ist damit durchaus in Gefahr, auch wenn Airbus-Chef Guillaume Faury das Jahresziel jüngst noch einmal bekräftigte.
Finanziell läuft es beim Flugzeugbauer jedoch mehr als rund. Im zweiten Quartal erzielte Airbus einen Umsatz von 15,9 Milliarden Euro und damit fast ein Viertel mehr als ein Jahr zuvor. Der um Sonderposten bereinigte operative Gewinn (bereinigtes EBIT) legte um mehr als ein Drittel auf 1,85 Milliarden Euro zu. Damit übertraf der Konzern die durchschnittlichen Erwartungen der Analysten. Für das Gesamtjahr rechnet die Airbus-Führung weiter mit einem bereinigten operativen Gewinn von etwa 6 Milliarden Euro.
Charttechnisch startete die Aktie jüngst einen Angriff auf das Rekordhoch aus dem Jahr 2020 bei 139,40 Euro. Allerdings ging dem Papier bei 138,76 Euro die Puste aus. Im Anschluss folgten Gewinnmitnahmen, die die Aktie im Tief bis auf 128,90 Euro beförderten. Dabei wurde auch die aktuell bei 131,86 Euro verlaufende 38-Tage-Linie unterschritten, womit sich das kurzfristige Chartbild leicht eintrübte. Gestern testete die Aktie jedoch wieder ihren 38er-Durchschnitt, konnte ihn allerdings noch nicht überqueren. Gelingt dies, könnte ein weiterer Angriff auf das 2020er-Hoch erfolgen. Ein Ausbruch nach oben würde neues Kaufinteresse erzeugen. Das Chartbild würde sich hingegen etwas gravierender eintrüben, wenn die Hochpunkte vom Juli 2021 bei 121,00 Euro und Januar 2022 bei 121,10 Euro unterschritten werden. Zuvor würde sich bei 121,71 Euro noch der vielbeachtete 200-Tage-Durchschnitt in den Weg stellen.